DSQ Forschungsförderpreis

Der DSQ Forschungsförderpreis, der regelmäßig ausgeschrieben und vergeben wird, zeichnet besonders engagierte Forscher aus.

Im Mittelpunkt der Forschungsförderung der DSQ steht das Ziel, die Funktionsfähigkeit des geschädigten Rückenmarks und damit die Lebensqualität von Querschnittgelähmten erheblich zu verbessern. Der zwischen € 5.000,- und € 25.000,- dotierte Preis ist einer der höchsten medizinischen Forschungspreise in Deutschland.

Der wissenschaftliche Beirat der DSQ, ein Gremium von unabhängigen Medizinern und Wissenschaftlern, prüft die eingereichten Vorschläge und wählt davon das oder die aussichtsreichsten Projekte für den Forschungs-Förderpreis aus. Das Preisgeld unterstützt ausschließlich das aktuelle Projekt des /der Preisträger.

Prof. Dr. Dietmar Fischer, Universitätsklinikum Ulm
Forschungsprojekt:
Strategien zur Stimulation des axonalen Regenerationsprogramms im Zentralen Nervensystem

Die DSQ Deutsche Stiftung Querschnittlähmung hat am 14.10.2009 in Leipzig den Forschungs- Förderpreis 2009 verliehen.

 

Prof. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und Schirmherr der diesjährigen Forschungs- Förderpreis Verleihung, überreichte den mit € 15.000 dotierten Forschungs-Förderpreis zusammen mit Prof. Dr. Hans Jürgen Gerner, Vorsitzender des Stiftungsrates und Prof. Albert C. Ludolph, Ulm, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der DSQ, an Prof. Dr. Dietmar Fischer von der Universität Ulm. Damit wird das Forschungsprojekt: "Neue Strategien zur Stimulation des axonalen Regenerationsprogramms im Zentralen Nervensystem" ausgezeichnet und unterstützt. Am Beispiel des Sehnerves erforscht Prof. Fischer und sein Team, wie bestimmte Nervenzellen in einen regenerativen Zustand überführt und damit zu einem Wachstum motiviert werden können.

Seit mehr als 10 Jahre vergibt die DSQ den Forschungs-Förderpreis. Der Preis unterstützt sowohl den Preisträger für die Fortführung seiner wissenschaftlichen Arbeit, wie auch in besonderem Maße das Forschungsprojekt selbst. Damit hat der DSQ Forschungs-Förderpreis eine besondere Bedeutung bei der Bekämpfung der Querschnittlähmung erlangt.

"Ich begrüße ausdrücklich den breiten Ansatz der Arbeit der Deutschen Stiftung Querschnittlähmung" so Ministerpräsident Prof. Böhmer, "die bereits mit der Prävention einsetzt. Die Stiftung geht auf junge Leute zu und klärt darüber auf, welche Folgen Selbstüberschätzung in Sport und Freizeit haben kann, vor allem wenn Alkohol im Spiel ist."

Preisverleihung

(v.l.n.r. Prof.Dr. Dietmar Fischer, Prof. Dr. Hans Jürgen Gerner, Prof. Dr. Böhmer) Foto: Armin Kühne

Erstmals wurde auch ein Preis für besonderes soziales Engagement verliehen. Damit werden Personen ausgezeichnet, die sich in besonderem Maße für die Belange von Querschnittgelähmten engagiert haben. Die beiden Hockey-Bundesliga-Spielerinnen Cora Eilhardt und Britta Billmann erhielten diesen Preis vom Ministerpräsident Prof. Dr. Böhmer und Prof. Dr. Gerner,  für ihr herausragendes Engagement für ihre Sportkameradin Michaela Schlett, die seit einem Autounfall querschnittgelähmt ist.

 

Preisverleihung

(v.l.n.r. Cora Eilhardt, Britta Billmann, Michaela Schlett mit Tochter Noa- Sophie) Foto: Armin Kühne

 

Beschreibung Forschungsprojekt:

Bei Verletzungen des zentralen Nervensystems, wozu auch das Rückenmark zählt, können zentrale Leitungsbahnen geschädigt werden. Dadurch wird die Reizweiterleitung vom Gehirn zu den peripheren Zielgebieten wie z. B. Muskeln oder umgekehrt von Sinnesreizen hin zum Gehirn unterbrochen. Die Reizweiterleitung im Rückenmark erfolgt über lange Ausläufer von Nervenzellen, den sogenannten Axonen, die bei einer Verletzung durchtrennt werden. Da diese Axone unter normalen Umständen nicht nachwachsen können, führen Schädigungen des Rückenmarks oft zu schwerwiegenden und irreparablen Funktionsverlusten wie Lähmungen und Sensibilitätsverlust, die für eine Querschnittslähmung typisch sind.

Ähnlich wie im Rückenmark sind auch die Axone in Sehnerven nach Verletzungen nicht mehr selbständig regenerationsfähig, was bei ausgeprägten Schädigungen zwangsläufig zu einer irreversiblen Erblindung führt. Da die Ursachen für diese Nicht-Regenerierbarkeit von Nervenzellen im Rückenmark und Sehnerven sehr ähnlich sind, eignet sich  der Sehnerv und die in der Netzhaut befindlichen Nervenzellen hervorragend für die Untersuchung der Mechanismen, die diesem Sachverhalt zugrunde liegen. Aufgrund seines einfacheren anatomischen Aufbaus und guten chirurgischen Zugänglichkeit bietet sich der Sehnerv im ganz besonderen Maße für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien zur Stimulation der axonalen Regeneration im Zentralen Nervensystem an.

Am Sehnerv konnte Prof. Fischer erstmals zeigen, dass retinale Nervenzellen (Retinale Ganglienzellen) durch die Auslösung spezifischer entzündlicher Prozesse wie diese zum Beispiel durch die Verletzung der Augenlinse ausgelöst werden, in einen  regenerativen Zustand überführt werden können. Dadurch können Retinale Ganglienzellen  erneut Axone über weite Strecken in den verletzten Sehnerven regenerieren. Die Regenerationsfähigkeit lässt sich in Kombination mit weiteren, von Prof. Fischer entwickelten Ansätzen, vor allem der Gentherapie, nochmals deutlich steigern. In den vergangen Jahren ist es nun der Arbeitsgruppe von Prof. Fischer gelungen, die Mechanismen der Stimulation von zentralen Neuronen durch „entzündliche Prozesse“ zu entschlüsseln. Prof. Fischer konnte zeigen, dass bei einer „entzündlichen Stimulation“ bestimmte Zellen, so genannte Astrozyten, die sich in Nachbarschaft zu den Nervenzellen befinden, kontinuierlich  Proteine freisetzen.
Diese Proteine  interagieren  direkt mit den geschädigten Nervenzellen in der Netzhaut und schalten in diesen bestimmte Signalwege an.

Dadurch wird ein axonales Regenerationsprogramm in den Neuronen aktiviert und diese können als Folge Axone nachwachsen lassen. Die Identifizierung dieser Proteine  als „Initiatoren“ der regenerations stimulierenden Effekte
nach „entzündlicher Stimulation“ und die Ergründung der zugrunde liegenden Mechanismen  bietet nun die Möglichkeit, die axonale Regeneration von Nervenzellen weiter zu optimieren. Darüber hinaus ist dadurch die
Voraussetzung gegeben, die am Sehnerven entwickelten Ansätze auf Nervenzellen des Rückenmarks zu übertragen und so neue therapeutische Strategien zur Regeneration des Rückenmarks nach Verletzungen zu entwickeln.

 

Fachliche Projektbeschreibung

Neurone des Zentralen Nervensystems (ZNS) können im Gegensatz zu denen des Peripheren Nervensystems
unter normalen Umständen verletzte Axone nicht regenerieren. Dies hat bei Verletzungen von zentralen Leitungsbahnen wie diese im Gehirn, Rückenmark oder auch im Sehnerven verlaufen, dramatische klinische Konsequenzen wie die Querschnittslähmung bei  Verletzungen des Rückenmarks oder der irreversible Verlust des Sehens bei Sehnervschädigung.
Retinale Ganglienzellen (RGZ) sind typische Projektionsneurone des ZNS  und zeigen wie andere ZNS-Neurone keine axonale Regeneration in den verletzen Sehnerven. Herr Fischer hat zeigen können, dass RGZ wieder in einen aktiven, regenerativen Zustand transformiert werden können, wenn inflammatorische Prozesse im Auge induziert werden.

In diesem regenerativen Zustand überleben RGZ die Verletzung und regenerieren die Axone in den geschädigten Sehnerven. Insbesondere die Kombination dieser Effekte mit den von Herrn Fischer neuartig etablierten gentherapeutischen Ansätzen zur Überwindung hemmender Signalwege, die durch das Myelin oder an der sich ausbildenden Narbe befindlichen Proteinen aktiviert werden, führt zu einer deutlichen Regenerationssteigerung.

In den vergangen Jahren hat die Arbeitsgruppe um Herrn Fischer die zugrunde liegenden Mechanismen des Phänomens „inflammatorische Stimulation“ entschlüsselt, was eine Voraussetzung für eine Entwicklung von Medikamenten zur Regenerationsstimulation  im Sehnerven aber vor allem auch für eine Übertragung dieser Ansätze auf andere ZNS-Neurone, die zum Beispiel auch bei einer Querschnittslähmung betroffen sind, darstellt. Herr Fischer konnte zeigen, dass bei einer „inflammatorischen Stimulation“ Astrozyten/Müllerzellen aktiviert werden, die als Folge kontinuierlich die Zytokine LIF und CNTF freisetzen und so über die Aktivierung der JAK/STAT3- und PI3K/Akt Signalwege in den zentralen Nervenzellen, zur Regeneration führen.

Die Identifizierung dieser Proteine/Substanzen zur Stimulation der axonalen Regeneration im visuellen System und der zugrunde liegenden Mechanismen bieten nun die Möglichkeit, diese Ansätze auch in Rückenmarksläsionsmodellen zu testen, mit dem Ziel neue therapeutische Strategien zur Reparatur des Rückenmarks zu ermöglichen.
 

Prof. Dr. Dietmar Fischer
Universitätsklinikum Ulm, Experiementelle Neurologie
Albert-Einstein-Allee 11, 89081 Ulm
Tel.: 0731 500 63048, FAX: 0731 500 63049
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Dr. Ing. Rüdiger Rupp, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
Forschungsprojekt:
Erweiterung von Mensch-Maschine Schnittstellen um eine telemetrische, analoge Beißkraft- und Zungensteuerung für die Pedalbetätigung eines Konzertflügels
Rüdiger Rupp

Der ForschungsFörderpreis der DSQ unterstützte bisher schwerpunktmäßig aussichtsreiche wissenschaftliche Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Regeneration von Nervenzellen. Um andere Forschungsaktivitäten nicht zu vernachlässigen, haben wir beschlossen, bei interessanten Projekten einen Innovationspreis der DSQ zu vergeben. Dieser Innovationspreis ist für solche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gedacht, die vor allem zur Verbesserung der Lebensqualität querschnittgelähmter und in der Mobilität eingeschränkter Personen beiträgt.

 

Mit dem aktuellen, für das Jahr 2008 ausgewählten Projekt haben wir eine Entwicklungsarbeit und einen Forscher ausgezeichnet, der wesentliche Impulse in diesem Segment gesetzt hat.

Dr. Ingenieur Rüdiger Rupp ist der von der Jury ausgewählte Preisträger für den Innovationspreis der DSQ im Jahre 2008. 

Von 1994 bis 1996 war Dr. Rupp wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe. Seit 1996 arbeitet Dr. Rupp als Leiter der Abteilung Forschung im Querschnittzentrum der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg. Herr Dr. Rupp ist erst 39 Jahre alt, er hat also noch viel Zeit für den weiteren Auf- und Ausbau seiner beruflichen Karriere. Dr. -Ing. Rupp ist verheiratet und stolzer Vater von 2 Kindern. 

Er hat bereits viele Entwicklungen zum Wohle der Patienten auf den Weg gebracht, ist an vielen diversen Fernseh- und Zeitungsberichten beteiligt und ist Autor bei mehr als 60 Publikationen. Seine Forschungsschwerpunkte sind vor allem die Bereiche Lokomotionsrobotik, Neuroprothetik, Elektrostimulation und die Entwicklung von Mensch- Maschine Schnittstellen.

Dr. Rupp hat mit seinem Team ein Modul entwickelt und hergestellt, das einem querschnittgelähmten Pianisten ermöglicht, mittels dieser Erfindung die Pedalsteuerung eines Flügels darzustellen. Die weitere Besonderheit der Erfindung ist die Tatsache, dass mit Hilfe einer kompliziert angefertigten Beißschiene mit druckempfindlichen Sensoren eine neuartige Miniatur-Funkübertragungsstrecke zum Einsatz kommt, die sich durch einen geringen Stromverbrauch und eine Anwendung ohne sichtbare Kabel auszeichnet. Vor allem durch die mögliche Anwendbarkeit für andere Lebensbereiche verdient diese Erfindung unsere besondere Anerkennung.

Für diese Entwicklung hat er die Auszeichnung in Form des Innovationspreises 2008 der DSQ Deutsche Stiftung Querschnittlähmung erhalten. Der Preis ist mit € 15.000.-- dotiert.

Auch das Bundesforschungsministerium unterstützt im übrigen die Arbeit von Dr. Rupp , derzeit aktuell für die Entwicklung einer FES-Hybrid Orthese. Das ist vereinfacht ausgedrückt ein aktiv angetriebener Ärmel zur Wiederherstellung einer gesamten Armfunktion.

Dr. Rupp und sein Team sind dabei spezialisiert, die bei Patienten noch vorhandenen Restwillküraktivitäten  und Gehirnsignale trotz ausgedehnter Lähmung noch für solche Anwendungen zu nutzen, die insbesondere ihren Einsatz im Alltag finden. Wenn wir das Ergebnis seiner Arbeit sehen, dann müssen wir uns vergegenwärtigen, dass es viele Stunden, Tage und Monate gedauert hat, bis sich der sichtbare Erfolg eingestellt hat. Von der spontanen Idee bis zur praktischen Umsetzung vergehen so manchmal viele Jahre. Wie auch in diesem Fall, denn die Entwicklung dieses von der DSQ ausgezeichneten Projektes geht nun auch schon über fast zwei Jahre.

Deshalb ist es wichtig, dass Forscher immer wieder motiviert werden, an dem Thema zu bleiben und nicht vorzeitig aufzugeben. Dr. Rupp gehört zu dieser Forschergruppe.

Im Namen des Stiftungsrates und des wissenschaftlichen Beirates der DSQ wünschen wir dem Preisträger weiterhin viel Erfolg bei der Umsetzung seiner Ideen, und natürlich auch das Quäntchen Glück und Ausdauer, das Forscher für einen dauerhaften Erfolg benötigen.

Besonders haben wir uns gefreut, dass bei der Preisverleihung der Bayerische Ministerpräsident und Mitglied des Kuratoriums der DSQ, Herr Dr. Günther Beckstein, sich Zeit genommen hat, dabei zu sein und den Preis zu übergeben.

Forschungs- Förderpreisverleihung 2008

 von links nach rechts: Dr. Gerhard Exner, Dr. Ing. Rupp, Prof. Dr. Hans Jürgen Gerner (Fotos: Irmi Gessner)

Forschungs- Förderpreisverleihung 2008

von links nach rechts: Prof. Dr. Hans Jürgen Gerner, Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein, Sharon von Wietersheim, Dr. Ing. Rüdiger Rupp, Kostja Ullmann (Fotos: Irmi Gessner)

 Steuerung

Dr. Armin Buss,  Neurologische Klinik der RWTH, Aachen
Forschungsprojekt:
„Molekulare Reaktionen axotomierter Neuronen nach traumatischen Verletzungen des humanen Rückenmarks“
Dr. Armin Buss

Herr Dr. med. Armin Buss (31) ist als Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen (Direktor Prof. Dr. J. Noth) tätig. Während seiner Promotion beschäftigte er sich bereits  mit der Reaktion menschlichen Rückenmarks nach Verletzungen insbesondere durch äußere Einflüsse. Diese Arbeiten waren eine der Voraussetzungen für ein Forschungsstipendium an der Universität Zürich bei Prof. Dr. Schwab. In der Arbeitsgruppe von  Dr. Brook, RWTH Aachen hat er sich jetzt wieder der Thematik des menschlichen Rückenmark zugewandt.

Projekt-Titel:
„Molekulare Reaktionen axotomierter Neuronen nach traumatischen Verletzungen des humanen Rückenmarks“

In Deutschland erleiden etwa 1800 Personen jährlich eine durch äußere Einwirkung verursachte Querschnittlähmung. Rückenmarksverletzungen durch äußere Einflüsse betreffen überwiegend junge Menschen und führen oftmals zu schwerwiegenden Funktionsausfällen mit starker Einschränkung der Lebensqualität. Da das zentrale Nervensystem (ZNS) im Gegensatz zum peripheren Nervensystem nicht zu spontaner Regeneration der verletzten Nervenbahnen fähig ist, sind einmal aufgetretene Ausfälle häufig dauerhaft.
Die tierexperimentellen Studien der letzten Jahre über die Mechanismen der Regeneration der Nervenbahnen im ZNS haben wichtige Informationen aufgedeckt, so dass neue regenerationsfördernde Therapieansätze im Tiermodell entwickelt werden konnten. Im Gegensatz hierzu besteht ein gravierender Mangel an Informationen über die  entsprechenden zellulären und molekularen Vorgänge im humanen Gewebe. Es stellt sich die Frage, ob die im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse auch auf das menschliche Rückenmark übertragen werden können. Dr. Armin Buss, Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen, untersucht in seinem Forschungsprojekt mit Hilfe molekularbiologischer Techniken Rückenmarksgewebe von verstorbenen Patienten. Hierbei sollen die molekularen Programme der durchtrennten ZNS-Nervenzellen auf ihr regeneratives Potential untersucht werden. Neben der Erforschung der lokalen Prozesse an der Verletzungsstelle kann eine Aufschlüsselung dieser molekularen Programme wichtige Informationen über die Verbesserung der Regeneration im ZNS geben.

Diese Analysen werden dann mit den tierexperimentellen Daten verglichen.

Querschnittlähmung: Stand der Forschung

Dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Akut- und der Rehabilitationsbehandlung haben die meist jungen Patienten mit Querschnittlähmung, die in der Regel durch eine Gewalteinwirkung von außen verursacht wird, inzwischen eine annähernd normale Lebenserwartung. Trotz der großen Fortschritte in der klinischen Betreuung der Patienten ist es bisher jedoch noch nicht gelungen, die zurückbleibenden Funktionsdefizite zu beheben. Etwa 40 % der Patienten leiden auf Dauer unter einer kompletten Tetra- bzw. Paraplegie, bei den übrigen Patienten bestehen inkomplette Querschnittssyndrome.

Die unbefriedigende Wiederherstellung der Rückenmarkfunktionen bei Querschnittlähmung beruht auf der ausbleibenden Regeneration der durchtrennten langen Nervenbahnen. Während im peripheren Nervensystem die Durchtrennung von Nervenfasern eine Reaktionskette in Gang setzt, die zum Auswachsen der Nervenfasern und häufig zu einer guten Wiederherstellung der Funktionen führt, können durchtrennte Nervenfasern im zentralen Nervensystem in der Regel nicht wieder auswachsen. Als Konsequenz bleiben die Funktionsdefizite weitgehend bestehen.

Von tierexperimentellen Befunden weiß man, dass es nach Durchtrennung von Nervenbahnen im Rückenmark zunächst zu einem raschen Abbau von verletztem bzw. zerstörtem Gewebe kommt. Daran schließt sich eine kurzdauernde Phase mit Auswachsen der durchtrennten Nervenfasern an, der jedoch rasch eine Wachstumshemmung und Narbenbildung folgt. Am Menschen sind solche Studien nur indirekt durch Rückenmarkuntersuchungen post mortem möglich. Soweit Berichte vorliegen, werden die morphologischen Veränderungen an der Verletzungsstelle ausführlich beschrieben. Molekularbiologische bzw. molekularpathologische Untersuchungen liegen bislang jedoch kaum vor. Dies ist nicht zuletzt auch deswegen der Fall, da die Gewinnung von menschlichem ZNS-Gewebe nur sehr begrenzt und weitgehend nur postmortal möglich ist. Andererseits wären solche Untersuchungen zum Vergleich mit den tierexperimentellen Befunden von größter Wichtigkeit und sind im Rahmen des Möglichen dringend wünschenswert.

Prof. Dr. Ulrike Blömer, Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Kiel
Forschungsprojekt:
„Gentransfer am spinalen Hemisektions-Modell der Ratte“

Prof. Dr. Ulrike Blömer

Frau Prof. Dr. Ulrike Blömer ist als Oberärztin an der Neurochirurgie Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein tätig. Sie beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Grundlagenforschung u. a. im Bereich der Regeneration von Nervenzellen. In zahlreichen Publikationen hat Frau Prof. Blömer bereits über ihre Forschungsergebnisse berichtet.

Das Projekt

Das Forschungsprojekt von Frau Prof. Blömer beinhaltet vorrangig die Grundlagenforschung im Bereich der Regeneration von Nervenzellen durch die Entwicklung neuer Gentransfermethoden. Wie ein Shuttle bringen hierbei so genannte lentivirale Vektoren die Gene zur Zelle. Es wird in das Genom der Zelle integriert, ohne dass dabei die Zelle ihre Funktion verändert oder Schaden erleidet.

Das durch den DSQ Forschungs-Förderpreis unterstützte Projekt von Frau Prof. Blömer hat u. a. zum Inhalt, die Wachstumsfaktoren im Rückenmark zu fördern. Ein weiteres Projektziel liegt darin, das Gewebe, die regenerativen Fasern und das motorische Verhalten zu beurteilen

Der Stand der wissenschaftlichen Forschung

Rückenmarkverletzungen sind bis heute in der akuten Phase nur sehr begrenzt zu behandeln. Es treten sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schäden Verluste der Bahnen, als auch der Zellen im Rückenmark und im zentralen Nervensystem auf. Weiterhin kommen Verluste von Wachstumsfaktoren, die die Regeneration fördern und die Produktion von Wachstumshemmern sowie Narbenbildung hinzu. Das komplexe Zusammenspiel der Zellverluste, Nervenbahnschäden und Faktoren schien bisher eine Regeneration unmöglich zu machen. Inzwischen sind unterschied-liche Zellen bis hin zu Stammzellen im Rahmen der Transplantation als Zellersatz untersucht, Wachstumsfaktoren identifiziert und Methoden entwickelt, um auf diese Faktoren Einfluss zu nehmen.